Christi Gleichnisse
Die Sprache
Das Sprachvermögen ist eine Gabe, die sorgfältig ausgebildet werden sollte. Von allen Gaben, die wir von Gott empfangen haben, kann keine zu einem größeren Segen werden, als gerade diese. Mit der Stimme können wir überzeugen und überreden; mit ihr bringen wir Gott Gebete und Lobpreisungen dar, mit ihr erzählen wir anderen von der Liebe des Erlösers. Wie wichtig ist es also, sie so auszubilden, daß sie die höchste Wirkung zum Guten ausübt. CGl 331.4
Die Ausbildung und der richtige Gebrauch der Stimme werden sehr vernachlässigt, sogar von Personen, die einsichtsvoll und für Christum tätig sind. Viele sprechen entweder so leise oder so schnell, daß sie nicht leicht verstanden werden können. Einige haben eine schwere, undeutliche Aussprache; andere sprechen in scharfen, schrillen Tönen, die den Hörern unangenehm sind. Schriftstellen, Lieder, Berichte und andere Notizen, die in öffentlichen Versammlungen vorgelesen werden, werden oft so gelesen, daß sie nicht verstanden werden können, und oft so, daß die ganze Kraft und Nachdrücklichkeit derselben verloren gehen. CGl 332.1
Dies ist ein Übel, dem abgeholfen werden kann und sollte. Die Bibel gibt uns eine Anweisung betreffs dieses Punktes. Von den Leviten, die in den Tagen Esras die heiligen Schriften dem Volke vorlasen, wird gesagt: “Und sie lasen im Gesetzbuch Gottes klar und verständlich, daß man verstand, was gelesen ward.” Nehemia 8,8. CGl 332.2
Durch Fleiß und Anstrengung können alle die Fähigkeit erlangen, verständlich zu lesen und in einem vollen, klaren Ton, in deutlicher und eindrucksvoller Weise zu sprechen. Wenn wir uns darin üben, können wir unsere Tüchtigkeit als Arbeiter für Christum ganz bedeutend erhöhen. CGl 332.3
Ein jeder Christ ist berufen, andere mit den unerforschlichen Reichtümern Christi bekannt zu machen; deshalb sollte er nach Vollkommenheit im Sprechen trachten. Er sollte das Wort Gottes in einer Weise vortragen, die es den Zuhörern angenehm macht. Gott will nicht, daß seine menschlichen Werkzeuge rauh und grob sein sollen. Es ist nicht sein Wille, daß der Mensch den himmlischen Strom, der durch ihn in die Welt fließt, verringern oder herabwürdigen soll. CGl 332.4
Wir müssen auf Jesum, das vollkommene Muster, blicken, um die Hilfe des Heiligen Geistes bitten und in seiner Kraft darnach trachten, ein jedes Organ so auszubilden, daß es seine Aufgabe in vollkommener Weise erfüllen kann. CGl 332.5
Ganz besonders gilt dies denen, die zum öffentlichen Dienst berufen sind. Prediger und Lehrer sollten bedenken, daß sie dem Volke eine Botschaft geben, die ewige Angelegenheiten einschließt. Die von ihnen verkündigte Wahrheit wird sie am jüngsten Tage richten und für einige Seelen wird die Art und Weise, wie sie die Botschaft verkündigen, ihre Annahme oder ihre Verwerfung bestimmen. Möge das Wort deshalb so gesprochen werden, daß es das Verständnis ergreift und Eindruck auf das Herz macht. Es sollte langsam, deutlich, feierlich und mit allem Ernst, den die Wichtigkeit der Botschaft verlangt, gesprochen werden. CGl 332.6
Die richtige Ausbildung und Benutzung des Sprachvermögens kommt in allen Zweigen christlichen Wirkens zur Geltung; Sie macht sich bemerkbar im Familienleben und in unserem Verkehr miteinander. Wir sollten uns daran gewöhnen, im angenehmen Ton zu sprechen, reine und richtige Ausdrücke und gütige, liebevolle Worte zu gebrauchen. Liebliche, gütige Worte sind der Seele wie ein Tau und sanfter Regen. Die Schrift sagt von Christo, daß seine Lippen holdselig waren, daß er “wisse, mit dem Müden zu rechter Zeit zu reden.” Psalm 45,3; Jesaja 60,4. Und der Herr gebietet uns: “Eure Rede sei allezeit lieblich,” “daß es holdselig sei zu hören.” Kolosser 4,6; Epheser 4,29. CGl 333.1
Indem wir versuchen, andere dahin zu bringen, daß sie unrichtige Gewohnheiten ablegen, sollten wir in der Benutzung unserer Worte sehr sorgfältig sein. Sie werden ein Geruch des Lebens zum Leben, oder ein Geruch des Todes zum Tode sein. Viele bedienen sich, wenn sie tadeln oder einen Rat geben, scharfer, harter Ausdrücke, Worte, die nicht geeignet sind, die verwundete Seele zu heilen. Durch solche unüberlegten Ausdrücke wird der Geist gereizt und oft werden die Irrenden zur Widerspenstigkeit angeregt. Alle, die für die Grundsätze der Wahrheit eintreten wollen, müssen das himmlische Öl der Liebe empfangen. Unter allen Umständen sollten tadelnde Worte liebreich gesprochen werden. Dann werden unsere Worte bessernd und nicht erbitternd wirken. Christus wird durch seinen Heiligen Geist die Kraft, die Macht geben. Dies ist sein Werk. CGl 333.2
Nicht ein Wort darf unbedacht gesprochen werden. Kein Afterreden, kein leichtfertiges Gespräch, kein verdrießliches Murren, keine unreine Andeutung wird den Lippen derer entweichen, die Christum nachfolgen. Der Apostel Paulus sagt durch die Eingebung des Heiligen Geistes: “Lasset kein faul Geschwätz aus eurem Munde gehen.” Epheser 4,29. Mit faulem Geschwätz sind nicht nur ruchlose Worte gemeint, sondern irgend ein Ausdruck, der gegen heilige Grundsätze und reine, unbefleckte Religion ist, der unreine Andeutungen und verdeckte, auf Böses hinzielende Anspielungen enthält. Wenn solchem Geschwätz nicht sofort widerstanden wird, kann es die Ursache zu großer Sünde werden. CGl 333.3
Jeder Familie, jedem Christen obliegt die Pflicht, gemeiner, verderbter Sprache den Weg zu versperren. Wenn wir in Gesellschaft solcher sind, die sich törichtem Geschwätz hingeben, so ist es unsere Pflicht, wenn möglich, das Thema der Unterhaltung zu ändern. Durch die Gnade Gottes sollten wir ruhig ein paar Worte einschalten, oder durch irgend einen Gegenstand die Unterhaltung auf ein nützlicheres Gebiet lenken. CGl 334.1
Es ist die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zu richtigen Gewohnheiten in der Redeweise anzuleiten. Die allerbeste Schule hierzu ist das Familienleben. Von frühester Jugend an sollten die Kinder gelehrt werden, achtungsvoll und in Liebe zu ihren Eltern und zueinander zu sprechen. Man sollte sie lehren, daß nur sanfte, wahre und reine Worte über ihre Lippen kommen dürfen. Die Eltern selbst sollten täglich in der Schule Christi lernen. Dann können sie durch Wort und Beispiel ihre Kinder lehren, wie man ehrbarlich und “mit heilsamem und untadeligem Wort” (Titus 2,7.8) redet. Dies ist eine ihrer größten und verantwortlichsten Pflichten. CGl 334.2
Als Nachfolger Christi sollten unsere Worte derart sein, daß sie anderen zur Hilfe und zur Ermutigung im christlichen Leben dienen. Wir müssen weit mehr als wir es tun, von unseren köstlichen Erfahrungen reden. Wir müssen von der Barmherzigkeit und Güte unseres Gottes, von der unvergleichlichen Tiefe der Heilandsliebe zeugen. Unsere Worte sollten Worte des Lobes und des Dankes sein. Wenn Gemüt und Herz von der Liebe Gottes erfüllt sind, wird sich dies in unserer Unterhaltung offenbaren. Es wird nicht schwierig sein, etwas mitzuteilen, was unser geistliches Leben durchdrungen hat. Große Gedanken, edles Streben, klare Begriffe von der Wahrheit, selbstlose Absichten, das Verlangen und Sehnen nach Frömmigkeit und Heiligkeit werden sich in Worten kundtun, aus denen die Natur des Schatzes, den wir im Herzen haben, ersichtlich ist. Wenn Christus so in unseren Worten offenbart wird, dann werden sie auch Macht haben, Seelen für ihn zu gewinnen. CGl 334.3
Wir sollten von Christo reden zu denen, die ihn nicht kennen. Wir sollten handeln, wie er handelte. Wo er auch war, in der Synagoge, auf der Landstraße, in dem vom Ufer abgestoßenen Schiff, beim Gastmahl des Pharisäers oder am Tische des Zöllners: überall sprach er zu den Menschen von den Dingen des höheren Lebens. Die Dinge in der Natur, die Vorkommnisse des täglichen Lebens wurden von ihm mit dem Worte der Wahrheit in Verbindung gebracht. Die Herzen seiner Zuhörer wurden zu ihm hingezogen; denn er hatte ihre Kranken geheilt, die Betrübten unter ihnen getröstet, ihre Kinder in seine Arme genommen und gesegnet. Wenn er seine Lippen öffnete, um zu sprechen, war ihre Aufmerksamkeit gefesselt und jedes Wort wurde irgend einer Seele ein Geruch des Lebens zum Leben. CGl 335.1
So sollte es auch mit uns sein. Wo wir auch sind, sollten wir uns nach Gelegenheiten umschauen, zu anderen vom Heilande zu sprechen. Wenn wir Christi Beispiel folgen und anderen Gutes tun, dann werden sich auch uns die Herzen erschließen, wie sie sich ihm erschlossen. Nicht hastig, sondern mit von göttlicher Liebe geborner Anmut können wir ihnen von dem erzählen, der “auserkoren unter vielen Tausenden” und “ganz lieblich” (Hohelied 5,10.16) ist. Auf diese Weise können wir in dem höchsten, edelsten Werk die uns verliehene Gabe der Sprache benutzen. Sie wurde uns gegeben, um Christum als den sündenvergebenden Heiland darstellen zu können. CGl 335.2