Christi Gleichnisse

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Die Benutzung der Zentner

Im Gleichnis “ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit denselbigen, und gewann andere fünf Zentner. Desgleichen auch, der zwei Zentner empfangen hatte, gewann auch zwei andere.” CGl 325.1

Die Gaben, wie wenige ihrer auch sein mögen, sollen benutzt werden. Die Frage von größter Wichtigkeit für uns ist nicht: wieviel habe ich empfangen? Sondern: was tue ich mit dem, das ich empfangen habe? Die Entwicklung aller unserer Kräfte und Gaben ist die erste Pflicht, die wir Gott und unseren Mitmenschen schulden. Wer nicht täglich fähiger und nützlicher wird, erfüllt seinen Lebenszweck nicht. Indem wir bekennen, an Christum zu glauben, verpflichten wir uns, unser möglichstes zu tun, um nützliche Arbeiter für den Meister zu werden; und wir sollten alle unsere Fähigkeiten bis zum höchsten Grade der Vollkommenheit ausbilden, damit wir möglichst viel Gutes tun können. CGl 325.2

Der Herr hat ein großes Werk, das getan werden muß, und er wird im zukünftigen Leben dem das meiste geben, der hier in diesem Leben am treuesten und willigsten diente. Der Herr wählt seine Werkzeuge und gibt ihnen an jedem Tage unter verschiedenen Umständen Gelegenheit, etwas in seinem Werke zu tun. Auf Grund eines jeden von Herzen kommenden Bestrebens, Gottes Plan auszuführen, wählt der Herr seine Werkzeuge, nicht weil dieselben vollkommen sind, sondern weil sie durch die Verbindung mit ihm Vollkommenheit erlangen können. CGl 325.3

Gott wird sich nur derer annehmen, die entschlossen sind, nach einem hohen Ziele zu streben. Er legt einem jeden menschlichen Werkzeuge die Pflicht auf, das Beste zu tun, was es tun kann. Sittliche Vollkommenheit verlangt er von allen. Wir sollten niemals den Maßstab der Gerechtigkeit herabsetzen, um ihn unseren ererbten oder genährten Neigungen zum Unrechttun anzupassen. Wir müssen erkennen, daß Unvollkommenheit des Charakters Sünde ist. Alle gerechten Charaktereigenschaften sind als ein vollkommenes, harmonisches Ganzes in Gott vereinigt und jeder, der Christum als einen persönlichen Heiland annimmt, hat das Vorrecht, diese Eigenschaften zu besitzen. CGl 326.1

Alle die Gottes Mitarbeiter sein wollen, müssen nach Vollkommenheit eines jeden Organs des Körpers, einer jeden Eigenschaft der Seele streben. Die wahre Erziehung ist eine Vorbereitung der körperlichen, geistigen und sittlichen Kräfte zur Verrichtung einer jeden Pflicht; sie besteht in der Ausbildung des Körpers, des Geistes und der Seele für den göttlichen Dienst. Dies ist die Ausbildung, die bis ins ewige Leben reicht. CGl 326.2

Der Herr fordert von einem jeden Christen, daß seine Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit in allen Zweigen zunehme. Christus hat mit seinem Blut und Leiden uns unseren Sold bezahlt, um sich unseren willigen Dienst zu sichern. Er kam auf unsere Welt, um uns ein Vorbild zu sein, wie wir wirken und mit welchem Geist wir an unsere Arbeit gehen sollten. Er will, daß wir darüber nachdenken sollen, wie wir sein Werk am besten fördern, seinen Namen in der Welt verherrlichen und dem Vater, der die Welt also geliebet hat, “daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben” (Johannes 3,16), mit Ehre krönen und ihm die größte Liebe und Hingabe bezeigen können. CGl 326.3

Aber Christus hat uns keine Versicherung gegeben, daß es eine leichte Sache ist, Vollkommenheit des Charakters zu erreichen. Ein edler, vollkommener Charakter wird nicht ererbt; wir erhalten ihn nicht durch Zufall. Ein edler Charakter wird durch persönliches Streben mittels der Verdienste und Gnade Christi erlangt. Gott gibt die Zentner, die Verstandeskräfte; wir bilden den Charakter. Er wird durch harte, ernste Kämpfe mit dem eigenen Ich gebildet. Ein Kampf nach dem andern muß gegen ererbte Neigungen ausgefochten werden. Wir müssen uns selbst aufs genaueste kritisieren und dürfen nicht einen einzigen ungünstigen Charakterzug unberichtigt lassen. CGl 326.4

Niemand sage: ich kann meine Charakterfehler nicht ablegen. Wer zu dieser Entscheidung kommt, wird sicherlich des ewigen Lebens verlustig gehen. Die Unmöglichkeit liegt im eigenen Willen. Wer nicht will, der kann nicht überwinden. Die wirkliche Schwierigkeit entsteht durch die Verderbtheit eines ungeheiligten Herzens und die Unwilligkeit, sich der Herrschaft Gottes zu unterwerfen. CGl 328.1

Viele, die Gott befähigt hat, vortreffliche Arbeit zu tun, richten wenig aus, weil sie wenig versuchen. Tausende gehen durch dies Leben, als ob sie keinen bestimmten Lebenszweck und kein Ziel zu erreichen hätten. Solche werden eine ihren Werken angemessene Belohnung erhalten. CGl 328.2

Bedenkt, daß ihr niemals ein höheres Ziel erreicht, als ihr euch selbst steckt. Darum setzt euch ein hohes Ziel und dann steigt Schritt für Schritt, selbst wenn es durch schmerzliche Anstrengungen, durch Selbstverleugnung und Selbstaufopferung führt, die ganze Stufenleiter hinauf. Laßt euch durch nichts hindern. Das Schicksal hat seine Maschen um kein menschliches Wesen so fest gewoben, daß es hilflos und in Ungewißheit bleiben muß. Schwierige Umstände sollten euch zu dem festen Entschluß bringen, sie zu überwinden. Das Wegräumen eines Hindernisses wird größere Fähigkeit und neuen Mut geben, vorwärts zu gehen. Dringt mit Entschlossenheit in der rechten Richtung voran, dann werden die Umstände eure Gehilfen und keine Hindernisse sein. CGl 328.3

Strebt ernstlich darnach, zu des Meisters Verherrlichung eine jede edle Charaktereigenschaft zu nähren. Ihr sollt zu jeder Zeit in eurem Charakteraufbau Gott gefallen. Das könnt ihr tun; auch Henoch gefiel Gott, obgleich er in einem entarteten Zeitalter lebte — und in unsrer Zeit gibt es auch noch hier und da einen Henoch. CGl 328.4

Steht fest wie Daniel, jener treue Staatsmann, ein Mann, den keine Versuchung beirren konnte. Enttäuscht ihn nicht, der euch so liebte, daß er sein eigenes Leben gab, um eure Sünden auszutilgen. Er sagt: “Ohne mich könnt ihr nichts tun.” Johannes 15,5. Bedenkt dies! Wenn ihr Fehler gemacht habt, könnt ihr sicherlich den Sieg gewinnen, wenn ihr diese Fehler erkennt und sie euch als Warnungslichter dienen laßt. So könnt ihr eure Niederlage in einen Sieg verwandeln, den Feind enttäuschen und euren Erlöser ehren. CGl 328.5

Ein nach dem göttlichen Bilde gestalteter Charakter ist der einzige Schatz, den wir von dieser Welt in die zukünftige mitnehmen können. Wer sich in diesem Leben unter die Lehren Christi stellt, wird das Göttliche, das er sich dadurch aneignet, in die himmlischen Wohnungen mitnehmen und wird im Himmel beständig vollkommener werden. Wie mächtig also ist die Entwicklung des Charakters in diesem Leben! CGl 329.1

Die himmlischen Wesen werden mit dem Menschen zusammenwirken, der mit festem Glauben nach jener Vollkommenheit des Charakters trachtet, die in Vollkommenheit der Handlungen zum Ausdruck kommt. Zu einem jeden, der sich an diese Aufgabe macht, sagt Christus: Ich bin zu deiner Rechten, um dir zu helfen. CGl 329.2

Indem der Wille des Menschen mit dem Willen Gottes zusammenwirkt, vermag er alles. Alles, was auf Gottes Befehl getan werden soll, kann auch in seiner Kraft getan werden. Alle seine Gebote sind auch Befähigungen. CGl 329.3