Propheten und Könige

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Kapitel 43: Der unsichtbare Wächter

Auf der Grundlage von Daniel 5.

Gegen Ende der Lebenszeit Daniels fanden in dem Lande, in das er und seine hebräischen Gefährten mehr als sechzig Jahre zuvor als Gefangene geführt worden waren, große Veränderungen statt. Nebukadnezar, der Bedränger der Nationen, war gestorben, und Babylon, “die in aller Welt Berühmte” (Jeremia 51,41), war unter das unweise Regime seiner Nachfolger geraten. Das Ergebnis war die allmähliche, aber sichere Auflösung. PK 366.1

Durch die Torheit und Schwäche Belsazers, des Enkels Nebukadnezars, sollte das stolze Babylon bald untergehen. Belsazer, dem schon in seiner Jugend ein Teil der königlichen Autorität übertragen worden war, sonnte sich in seiner Macht; sein Herz überhob sich und wandte sich gegen den Gott des Himmels. Er hatte sehr oft Gelegenheit gehabt, den göttlichen Willen zu erfahren und seine Verpflichtung zum Gehorsam ihm gegenüber zu erkennen. Er wußte, daß sein Großvater durch Gottes Ratschluß aus der menschlichen Gesellschaft verbannt worden war, und er war auch mit Nebukadnezars Bekehrung und wunderbarer Wiedereinsetzung vertraut. Doch Belsazer ließ es zu, daß die Liebe zum Vergnügen und zur Selbstverherrlichung die Lehren verwischten, die er nie hätte vergessen sollen. Er vergeudete die ihm so freundlich gewährten Gelegenheiten und versäumte es, die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu benutzen, um die Wahrheit gründlicher kennenzulernen. An dem, was Nebukadnezar schließlich um den Preis unsäglicher Leiden und Demütigungen gewonnen hatte, ging Belsazer gleichgültig vorüber. PK 366.2

Es dauerte nicht lange, da kamen auch schon Rückschläge. Babylon wurde von Cyrus, dem Neffen Darius des Meders und kommandierenden General der vereinigten Heere der Meder und Perser, belagert. Doch innerhalb der scheinbar uneinnehmbaren Festung mit ihren massiven Mauern und bronzenen Toren, vom Euphrat geschützt und reichlich mit Lebensmitteln versehen, fühlte sich der wollüstige Monarch sicher und verbrachte seine Zeit in Ausgelassenheit und Schwelgerei. PK 366.3

Aus Stolz und Arroganz sich leichtsinnig in Sicherheit wiegend, veranstaltete Belsazer “ein herrliches Mahl für seine tausend Mächtigen und soff sich voll mit ihnen”. Daniel 5,1. Alle Reize, über die Reichtum und Macht verfügen, vermehrten den Glanz dieser Szene. Bezaubernd schöne Frauen weilten bei dem königlichen Festmahl unter den Gästen. Geistvolle und gebildete Männer waren anwesend. Fürsten und Staatsmänner tranken Wein wie Wasser und gaben sich seiner den Verstand raubenden Wirkung hin. PK 367.1

Die Vernunft des Königs war durch beschämende Trunkenheit ausgeschaltet. Seine niederen Triebe und Leidenschaften begannen nun zu herrschen, und er übernahm selbst die Leitung dieser zügellosen Orgie. Während das Festmahl weiterging, “ließ er die goldenen und silbernen Gefäße herbringen, die ... Nebukadnezar aus dem Tempel zu Jerusalem weggenommen hatte, damit der König mit seinen Mächtigen, mit seinen Frauen und mit seinen Nebenfrauen daraus tränke”. Der König wollte beweisen, daß nichts zu heilig war, um nicht mit seinen Händen berührt zu werden. “Da wurden die goldenen und silbernen Gefäße herbeigebracht ... und der König, seine Mächtigen, seine Frauen und Nebenfrauen tranken daraus. Und als sie so tranken, lobten sie die goldenen, silbernen, ehernen, eisernen, hölzernen und steinernen Götter.” Daniel 5,2-4. PK 367.2

Belsazer hatte keine Ahnung, daß es einen himmlischen Zeugen seiner abgöttischen Schwelgerei gab, daß ein göttlicher Wächter unerkannt auf das Bild der Entweihung herabblickte, den frevelhaften Jubel hörte und den Götzenkult mitansah. Bald jedoch machte der ungebetene Gast seine Anwesenheit spürbar. Als die Schwelgerei ihren Höhepunkt erreichte, erschien eine Hand, die keines Menschen Hand war, und schrieb auf die Wände des Palastes Buchstaben, die wie Feuer glänzten — Worte, die den vielen Anwesenden zwar unbekannt waren, aber auf den König, dessen Gewissen plötzlich schlug, und auf seine Gäste wie ein böses Vorzeichen des Gerichtes wirkten. PK 367.3

Verstummt war die lärmende Fröhlichkeit, während Männer und Frauen, von namenlosem Schrecken erfaßt, zusahen, wie die Hand langsam geheimnisvolle Buchstaben schrieb. Vor ihren Augen zogen wie in einer Gesamtschau die Taten ihres sündigen Lebens vorüber. Ihnen war, als stünden sie vor den Gerichtsschranken des ewigen Gottes, dessen Macht sie eben noch herausgefordert hatten. Wo einige Augenblicke zuvor noch Heiterkeit geherrscht hatte und gotteslästerliche Reden geführt worden waren, gab es jetzt bleiche Gesichter und angstvolle Rufe. Wenn Gott Menschen mit Furcht erfüllt, können sie die Heftigkeit ihres Schreckens nicht verbergen. PK 368.1

Am meisten entsetzt war Belsazer. Er trug mehr als alle anderen die Verantwortung für den Aufruhr, der sich gegen Gott richtete und in jener Nacht seinen Höhepunkt im babylonischen Reich erreichte. In der Gegenwart des unsichtbaren Wächters, der den vertrat, dessen Macht herausgefordert und dessen Namen gelästert worden war, stand der König von Furcht gelähmt. “Seine Hüftgelenke wurden kraftlos, und seine Kniee schlugen aneinander.” Daniel 5,6 (Zürcher). Belsazer hatte sich ruchlos gegen den Gott des Himmels erhoben; er hatte auf seine eigene Macht vertraut und nicht damit gerechnet, daß es jemand wagen würde, ihn zu fragen: “Was machst du?” Daniel 4,32. Doch jetzt erkannte er, daß er Rechenschaft ablegen mußte über die ihm anvertraute Haushalterschaft und daß er keine Entschuldigung hatte für seine verpaßten Gelegenheiten und seine herausfordernde Haltung. PK 368.2

Vergeblich versuchte der König die Flammenschrift zu lesen. In dieses Geheimnis vermochte er nicht einzudringen, hier offenbarte sich eine Macht, die er weder fassen noch leugnen konnte. Verzweifelt suchte er Hilfe bei den Weisen seines Reiches. Sein verstörter Schrei hallte über die Anwesenden dahin, als er die Astrologen, Chaldäer und Wahrsager aufforderte, die Schrift zu lesen. Ihnen versprach er: “Welcher Mensch diese Schrift lesen kann und mir sagt, was sie bedeutet, der soll mit Purpur gekleidet werden und eine goldene Kette um den Hals tragen und der Dritte in meinem Königreich sein.” Daniel 5,7. Doch der Aufruf an seine vertrauten Ratgeber war trotz der angebotenen reichen Belohnung vergeblich. Himmlische Weisheit kann man nicht kaufen oder verkaufen. “Alle Weisen des Königs ... konnten weder die Schrift lesen noch die Deutung dem König kundtun.” Daniel 5,8. Sie waren ebensowenig fähig, die geheimnisvollen Schriftzeichen zu lesen, wie die weisen Männer einer früheren Generation die Träume Nebukadnezars hatten deuten können. PK 368.3

Da fiel der Königinmutter ein, daß Daniel vor mehr als einem halben Jahrhundert dem König Nebukadnezar den Traum von dem großen Standbild und dessen Deutung kundgetan hatte. “Der König lebe ewig!” sagte sie. “Laß dich von deinen Gedanken nicht so erschrecken, und entfärbe dich nicht! Es ist ein Mann in deinem Königreich, der den Geist der heiligen Götter hat. Denn zu deines Vaters Zeiten fand sich bei ihm Erleuchtung, Klugheit und Weisheit wie der Götter Weisheit. Und dein Vater, der König Nebukadnezar, setzte ihn über die Zeichendeuter, Weisen, Gelehrten und Wahrsager, weil ein überragender Geist bei ihm gefunden wurde, dazu Verstand und Klugheit, Träume zu deuten, dunkle Sprüche zu erraten und Geheimnisse zu offenbaren. Das ist Daniel, dem der König den Namen Beltschazar gab. So rufe man nun Daniel; der wird sagen, was es bedeutet.” Daniel 5,10-12. PK 369.1

“Da wurde Daniel vor den König geführt.” Daniel 5,13. Belsazer bemühte sich, seine Fassung wiederzugewinnen, und sprach zu dem Propheten: “Bist du Daniel, einer der Gefangenen aus Juda, die der König, mein Vater, aus Juda hergebracht hat? Ich habe von dir sagen hören, daß du den Geist der heiligen Götter habest und Erleuchtung, Verstand und hohe Weisheit bei dir zu finden sei. Nun hab ich vor mich rufen lassen die Weisen und Gelehrten, damit sie mir diese Schrift lesen und kundtun sollen, was sie bedeutet; aber sie können mir nicht sagen, was sie bedeutet. Von dir aber höre ich, daß du Deutungen zu geben und Geheimnisse zu offenbaren vermagst. Kannst du nun die Schrift lesen und mir sagen, was sie bedeutet, so sollst du mit Purpur gekleidet werden und eine goldene Kette um deinen Hals tragen und der Dritte in meinem Königreich sein.” Daniel 5,13-16. PK 369.2

Unbeeindruckt von den Versprechungen des Königs stand Daniel in der ruhigen Würde eines Dieners des Allerhöchsten vor der angsterfüllten Menge — nicht um Schmeichelworte auszusprechen, sondern um eine Gerichtsbotschaft zu deuten. “Behalte deine Gaben und gib dein Geschenk einem andern”, sagte er; “ich will dennoch die Schrift dem König lesen und kundtun, was sie bedeutet.” Daniel 5,17. PK 369.3

Der Prophet erinnerte Belsazer zuerst an Dinge, die ihm vertraut waren und ihn doch nicht die Demut gelehrt hatten, die ihn hätte retten können. Er sprach von Nebukaduezars Sünde und Fall und davon, wie Gott mit ihm verfuhr: wie er ihm Herrschaft und Ruhm verlieh, wie das göttliche Urteil wegen seines Stolzes über ihn erging und er daraufhin die Macht und Barmherzigkeit des Gottes Israels anerkannte. Dann rügte er Belsazer kühn und nachdrücklich wegen seiner schlimmen Gottlosigkeit. Er hielt dem König seine Sünde vor und zeigte ihm, was er hätte lernen können, aber nicht gelernt hatte. Belsazer hatte die Erfahrung seines Großvaters nicht richtig gedeutet und auch nicht die warnenden Ereignisse beachtet, die für ihn selbst so bedeutungsvoll waren. Ihm war die Gelegenheit geschenkt worden, den wahren Gott kennenzulernen und ihm zu gehorchen, aber er hatte sie unbeachtet gelassen und erntete nunmehr die Früchte seiner Auflehnung. PK 370.1

“Du, Belsazer ...”, so erklärte der Prophet, “hast dein Herz nicht gedemütigt, obwohl du das alles wußtest, sondern hast dich gegen den Herrn des Himmels erhoben, und die Gefäße seines Hauses hat man vor dich bringen müssen, und du, deine Mächtigen, deine Frauen und deine Nebenfrauen, ihr habt daraus getrunken; dazu hast du die silbernen, goldenen, ehernen, eisernen, hölzernen, steinernen Götter gelobt, die weder sehen noch hören noch fühlen können. Den Gott aber, der deinen Odem und alle deine Wege in seiner Hand hat, hast du nicht verehrt. Darum wurde von ihm diese Hand gesandt und diese Schrift geschrieben.” PK 370.2

Der Prophet kehrte sich der vom Himmel gesandten Botschaft an der Wand zu und las: “Mene mene tekel u-parsin.” Die Hand, die diese Schriftzeichen geschrieben hatte, war nicht mehr zu sehen, aber die vier Worte erglänzten weiterhin in schrecklicher Deutlichkeit. Und nun lauschten die Anwesenden mit angehaltenem Atem der Erklärung des betagten Propheten: “Sie bedeutet dies: Mene, das ist, Gott hat dein Königtum gezählt und beendet. Tekel, das ist, man hat dich auf der Waage gewogen und zu leicht befunden. Peres, das ist, dein Reich ist zerteilt und den Medern und Persern gegeben.” Daniel 5,22-28. PK 370.3

In dieser letzten Nacht wilder Ausgelassenheit hatten Belsazer und seine Großen das Maß ihrer und des chaldäischen Reiches Schuld voll gemacht. Gottes Hand, die bisher Aufschub geboten hatte, konnte das drohende Unheil nicht länger abwehren. Gott hatte durch mancherlei Fügungen versucht, diese Menschen Ehrfurcht vor seinem Gesetz zu lehren. “Wir wollten Babel heilen”, hatte er über die ausgesagt, deren Schuld nun bis zum Himmel reichte; “aber es wollte nicht geheilt werden.” Jeremia 51,9. Wegen der rätselhaften Verderbtheit des menschlichen Herzens hatte es Gott schließlich für erforderlich gehalten, ein unwiderrufliches Urteil zu fällen: Belsazer sollte fallen und sein Königreich in andre Hände übergehen. PK 370.4

Als der Prophet zu sprechen aufhörte, befahl der König, ihm die versprochenen Ehren zu erweisen. Dementsprechend kleidete man Daniel in ein Purpurgewand und legte “ihm eine goldene Kette um den Hals”. Und der König ließ öffentlich “von ihm verkünden, daß er der Dritte im Königreich sei”. Daniel 5,29. PK 371.1

Mehr als hundert Jahre zuvor schon hatte das von Gott eingegebene Wort vorausgesagt, daß “die Nacht meiner Lust” (Jesaja 21,4, KJV), in der König und Ratgeber miteinander in der Lästerung Gottes wetteifern würden, sich plötzlich in eine Zeit der Angst und Zerstörung verwandeln werde. Und nun reihten sich in rascher Folge entscheidende Ereignisse aneinander, genauso wie sie in den prophetischen Schriften geschildert worden waren — Jahre vor der Geburt der Hauptakteure dieses Schauspiels. PK 371.2

Während der König noch im Kreise derer, deren Schicksal besiegelt war, im Festsaal weilte, unterrichtete ihn ein Bote, “daß seine Stadt genommen sei” von dem Feind, vor dessen Plänen er sich so sicher gefühlt hatte. Die Furten seien schon besetzt ... “und die Kriegsleute verzagt”. Jeremia 51,31.32. Gerade als er und seine Edlen aus den heiligen Gefäßen des Herrn tranken und ihre Götzen aus Silber und Gold priesen, drangen die Meder und Perser, die den Euphrat aus seinem Strombett abgeleitet hatten, in das Herz der unbewachten Stadt vor. Nun stand das Heer des Cyrus an den Mauern des Palastes. Die Stadt war “wie mit Heuschrecken” (Jeremia 51,14) von den Soldaten des Feindes angefüllt, deren Siegesgeschrei man durch die Verzweiflungsrufe der überraschten Zecher vernehmen konnte. PK 371.3

“In derselben Nacht wurde Belsazer, der König der Chaldäer, getötet” (Daniel 5,30), und ein fremder Herrscher nahm den Thron ein. PK 371.4

Die hebräischen Propheten hatten klar vorausgesagt, auf welche Weise Babylon fallen sollte. Als Gott ihnen in Gesichten die Geschehnisse der Zukunft offenbart hatte, hatten sie ausgerufen: “Wie ist Scheschach gefallen und die in aller Welt Berühmte eingenommen! Wie ist Babel zum Bild des Entsetzens geworden unter den Heiden!” Jeremia 51,41. “Wie ist der Hammer der ganzen Welt zerbrochen und zerschlagen! Wie ist Babel zum Bild des Entsetzens geworden unter allen Völkern! ... Die Erde wird beben von dem Ruf: Babel ist genommen! und sein Wehgeschrei wird unter den Völkern erschallen.” Jeremia 50,23.46. PK 371.5

“Wie plötzlich ist Babel gefallen und zerschmettert! ... Denn es ist über Babel der Verwüster gekommen. Seine Helden werden gefangen, seine Bogen werden zerbrochen; denn der Gott der Vergeltung, der Herr, zahlt es ihnen heim. Ich will seine Fürsten, Weisen, Herren und Hauptleute und seine Krieger trunken machen, daß sie zu ewigem Schlaf einschlafen sollen, von dem sie nie mehr aufwachen, spricht der König, der da heißt Herr Zebaoth.” Jeremia 51,8.56.57. PK 372.1

“Ich habe dir Fallen gestellt, Babel, und du hast dich darin gefangen, ehe du dich’s versahst; du bist getroffen und ergriffen, denn du hast den Herrn herausgefordert. Der Herr hat sein Zeughaus aufgetan und die Waffen seines Zorns hervorgeholt; denn Gott, der Herr Zebaoth, hat etwas auszurichten in der Chaldäer Lande ... PK 372.2

So spricht der Herr Zebaoth: Siehe, die Kinder Israel samt den Kindern Juda müssen Gewalt und Unrecht leiden; alle, die sie gefangen weggeführt haben, halten sie fest und wollen sie nicht loslassen. Aber ihr Erlöser ist stark, der heißt Herr Zebaoth; der wird ihre Sache so hinausführen, daß er das Land erbeben und die Einwohner von Babel erzittern läßt.” Jeremia 50,24.25.33.34. PK 372.3

So wurden “die Mauern des großen Babel ... geschleift und seine hohen Tore mit Feuer verbrannt”. Jeremia 51,58. So machte der Herr der Heerscharen “dem Hochmut der Stolzen ein Ende” und schlug “die Hoffart der Gewaltigen”. Jesaja 13,11. Und so wurde “Babel, das schönste unter den Königreichen, die herrliche Pracht der Chaldäer” (Jesaja 13,19) — wie Sodom und Gomorra — zu einem für immer verfluchten Ort. Göttliche Eingebung hatte verkündigt, “daß man hinfort nicht mehr da wohne noch jemand da bleibe für und für, daß auch Araber dort keine Zelte aufschlagen noch Hirten ihre Herden lagern lassen, sondern Wüstentiere werden sich da lagern, und ihre Häuser werden voll Eulen sein; Strauße werden da wohnen, und Feldgeister werden da hüpfen, und wilde Hunde werden in ihren Palästen heulen und Schakale in den Schlössern der Lust. Ihre Zeit wird bald kommen, und ihre Tage lassen nicht auf sich warten.” Jesaja 13,20-22. “Und ich will Babel machen zum Erbe für die Igel und zu einem Wassersumpf und will es mit dem Besen der Verderbens wegfegen, spricht der Herr Zebaoth.” Jesaja 14,23. PK 372.4

An den letzten Herrscher Babylons war — wie schon vorausdeutend an den ersten — der Richterspruch des göttlichen Wächters ergangen: “Dir, König ..., wird gesagt: Dein Königreich ist dir genommen.” Daniel 4,28. PK 373.1

“Herunter, Jungfrau, du Tochter Babel, setze dich in den Staub! Setze dich auf die Erde, wo kein Thron ist ... PK 373.2

Setze dich stumm hin, geh in die Finsternis, du Tochter der Chaldäer! Denn du sollst nicht mehr heißen ‘Herrin über Königreiche’ . PK 373.3

Als ich über mein Volk zornig war und mein Erbe entheiligte, gab ich sie in deine Hand; aber du erwiesest ihnen keine Barmherzigkeit ... PK 373.4

Du dachtest: Ich bin eine Herrin für immer. Du hattest noch nicht zu Herzen genommen noch daran gedacht, wie es hernach werden könnte. PK 373.5

So höre nun dies, die du in Wollust lebst und so sicher sitzest und sprichst in deinem Herzen: ‘Ich bin’s, und sonst keine; ich werde keine Witwe werden noch ohne Kinder sein’: PK 373.6

Dies beides wird plötzlich über dich kommen auf einen Tag, daß du Witwe und ohne Kinder bist. Ja, es wird in vollem Maße über dich kommen trotz der Menge deiner Zaubereien und trotz der großen Macht deiner Beschwörungen. Denn du hast dich auf deine Bosheit verlassen, als du dachtest: Niemand sieht mich! PK 373.7

Deine Weisheit und Kunst hat dich verleitet, daß du in deinem Herzen sprachst: Ich bin’s und sonst keine! Aber nun wird über dich Unglück kommen, das du nicht wegzuzaubern weißt, und Unheil wird auf dich fallen, das du nicht durch Sühne abwenden kannst. Und es wird plötzlich ein Verderben über dich kommen, dessen du dich nicht versiehst. PK 373.8

So tritt nun auf mit deinen Beschwörungen und der Menge deiner Zaubereien, um die du dich von deiner Jugend auf bemüht hast, ob du dir helfen und es abwenden kannst. PK 373.9

Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne. Es sollen hertreten und dir helfen die Meister des Himmelslaufs und die Sterngucker, die an jedem Neumond kundtun, was über dich kommen werde! Siehe, sie sind wie Stoppeln ... sie können ihr Leben nicht erretten vor der Flamme Gewalt ... und du hast keinen Retter.” Jesaja 47,1.5-15. PK 373.10

Jede Nation, die die Weltbühne betreten hat, durfte ihren Platz auf Erden einnehmen, damit entschieden werde, ob sie die Absichten des Wächters und des allein Heiligen erfülle. Die Prophetie hat die Entstehung und Entwicklung der großen Weltreiche — Babylon, Medo-Persien, Griechenland und Rom — aufgezeichnet. Bei jedem von ihnen, wie auch bei den nicht so mächtigen Reichen, hat sich die Geschichte wiederholt. Jedes hatte seine Zeit der Erprobung; jedes versagte; sein Ruhm verblaßte, seine Macht schwand dahin. PK 374.1

Während Völker Gottes Grundsätze verwarfen und dadurch ihren eigenen Untergang herbeiführten, waltete doch offensichtlich zu allen Zeiten ein göttlicher, alles beherrschender Plan. Genau dies war dem Propheten Hesekiel während seiner Verbannung im Land der Chaldäer in einem großartigen Bild gezeigt worden. Seinem erstaunten Blick boten sich Symbole als Offenbarung einer alles beherrschenden Macht dar, die mit den Staatsgeschäften der irdischen Herrscher zu tun hat. PK 374.2

An den Ufern des Flusses Kebar schaute Hesekiel einen Wirbelsturm, der vom Norden zu kommen schien, “eine mächtige Wolke und loderndes Feuer, und Glanz war rings um sie her, und mitten im Feuer war es wie blinkendes Kupfer”. Hesekiel 1,4. Mehrere Räder, die jedes “mitten durch das andere” (Hesekiel 1,16, Henne) ging, wurden von vier Lebewesen bewegt. Hoch über diesen “sah es aus wie ein Saphir, einem Thron gleich, und auf dem Thron saß einer, der aussah wie ein Mensch”. Hesekiel 1,26. “Und es erschien an den Cherubim etwas wie eines Menschen Hand unter ihren Flügeln.” Hesekiel 10,8. Die Räder waren so kompliziert angeordnet, daß es auf den ersten Blick aussah, als seien sie durcheinandergeraten; doch sie bewegten sich in vollkommener Harmonie. Himmlische Wesen, unterstützt und geleitet durch die Hand unter den Flügeln der Cherubim, trieben die Räder an. Über ihnen, auf dem saphirnen Thron, saß der Ewige, und um den Thron spannte sich ein Regenbogen, das Zeichen der göttlichen Gnade. PK 374.3

Wie das räderähnliche Gewirr von der Hand unter den Cherubimflügeln gelenkt wurde, so untersteht auch das verworrene Spiel menschlichen Geschehens der göttlichen Herrschaft. Inmitten des Streites und Aufruhrs der Völker lenkt der Herr, der über den Cherubim thront, die Geschehnisse auf dieser Erde. PK 374.4

Auch uns hat die Geschichte der Völker heute etwas zu sagen. Jedem Volk und jedem einzelnen Menschen hat Gott einen Platz in seinem großen Plan zugewiesen. Heute werden Menschen und Nationen durch das Lot in der Hand dessen geprüft, der keinen Fehler macht. Aufgrund ihrer eigenen Wahl bestimmen sie ihr Geschick, und Gott hat alles in der Hand, um seine Absichten zu erfüllen. PK 375.1

Die Weissagungen, die der große Ich bin uns in seinem Wort geschenkt hat, fügen in der Kette der Ereignisse Glied an Glied und reichen aus ewiger Vergangenheit bis in die ewige Zukunft. So sagen sie uns, wo wir heute im Wechsel der Zeitalter stehen und was in der Zukunft zu erwarten ist. Alles was nach den Voraussagen der Prophetie bis in die Gegenwart hinein geschehen sollte, ist auf den Blättern der Geschichte verzeichnet. Und wir können sicher sein, daß alles, was noch kommen soll, sich eins um das andere erfüllen wird. PK 375.2

Heute künden die Zeichen der Zeit, daß wir an der Schwelle großer und ernster Ereignisse stehen. In unserer Welt ist alles in Bewegung geraten. Vor unseren Augen erfüllt sich die Weissagung des Erlösers über die Geschehnisse, die seinem Kommen vorausgehen sollen: “Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; sehet zu und erschrecket nicht ... Denn es wird sich empören ein Volk wider das andere und ein Königreich wider das andere, und werden sein teure Zeit und Erdbeben hin und her.” Matthäus 24,6.7. PK 375.3

Die Gegenwart ist für alle Menschen von überragendem Interesse. Herrscher und Staatsmänner, Inhaber von Vertrauens- und Machtstellungen, nachdenkende Männer und Frauen aller Schichten verfolgen aufmerksam, was um uns her geschieht. Sie beobachten die Beziehungen zwischen den Nationen. Sie bemerken die starke Erregung, die sich aller irdischen Elemente bemächtigt, und erkennen, daß sich etwas Großes und Entscheidendes anbahnt — daß die Welt am Rande einer gewaltigen Krise steht. PK 375.4

Die Bibel und nur sie vermittelt eine richtige Schau dieser Dinge. In ihr werden die großen Schlußszenen der Weltgeschichte offenbart, Ereignisse, die schon ihre Schatten vorauswerfen und deren geräuschvolles Nahen die Erde erzittern und die Menschenherzen vor Furcht verzagen läßt. PK 375.5

“Siehe, der Herr macht die Erde leer und wüst und wirft um, was auf ihr ist, und zerstreut ihre Bewohner ... denn sie übertreten das Gesetz und ändern die Gebote und brechen den ewigen Bund. Darum frißt der Fluch die Erde, und büßen müssen’s, die darauf wohnen.” Jesaja 24,1.5.6. PK 376.1

“O weh des Tages! Denn der Tag des Herrn ist nahe und kommt wie ein Verderben vom Allmächtigen ... Der Same ist unter der Erde verdorrt, die Kornhäuser stehen wüst, die Scheunen zerfallen; denn das Getreide ist verdorben. O wie seufzt das Vieh! Die Rinder sehen kläglich drein, denn sie haben keine Weide, und die Schafe verschmachten.” Joel 1,15.17.18. PK 376.2

“Der Weinstock ist verdorrt und der Feigenbaum verwelkt. Granatbaum und Apfelbaum, ebenso die Palme, ja alle Bäume des Feldes sind verdorrt. Ja, die Freude ist zu Ende; die Freude ist den Menschenkindern genommen.” Joel 1,12 (Bruns). PK 376.3

“Wie ist mir so weh! ... Ich habe keine Ruhe; denn ich höre der Posaune Hall, den Lärm der Feldschlacht; Niederlage auf Niederlage wird gemeldet. Denn das ganze Land wird verheert.” Jeremia 4,19.20. PK 376.4

“Wehe, es ist ein gewaltiger Tag, und seinesgleichen ist nicht gewesen, und es ist eine Zeit der Angst für Jakob; doch soll ihm daraus geholfen werden.” Jeremia 30,7. PK 376.5

“Denn der Herr ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht. Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird sich deinem Hause nahen.” Psalm 91,9.10. PK 376.6

“Du Tochter Zion ... dort wird dich der Herr erlösen von deinen Feinden. Nun aber werden sich viele Heiden wider dich zusammenrotten und sprechen: Sie ist dahingegeben; wir wollen auf Zion herabsehen! Aber sie wissen des Herrn Gedanken nicht und kennen seinen Ratschlag nicht.” Micha 4,10-12. Gott wird seine Gemeinde in der Stunde ihrer größten Gefahr nicht im Stich lassen. Er hat Errettung verheißen. “Ich will das Geschick der Hütten Jakobs wenden”, hat er verkündet, “und mich über seine Wohnungen erbarmen.” Jeremia 30,18. PK 376.7

Dann wird Gottes Absicht erfüllt sein; die Grundsätze seines Reiches werden von allen Menschen unter der Sonne anerkannt werden. PK 376.8